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Podcasts sorgen für immer mehr Begeisterung in der Bevölkerung. Auch die Coronakrise hat dazu beigetragen. Weshalb aber Podcasts auch für Unternehmen und Organisationen etwas sind, hat uns der Gründer der «Podcastschmiede» und Co-Präsident des «Podcast Club Switzerland», Nico Leuenberger, in einem Interview verraten.

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Nico Leuenberger ist Gründer der «Podcastschmiede» und Co-Präsident des «Podcast Club Switzerland». Seine 10-jährige Erfahrung als Radioreporter bei Radiostationen wie Radio 1, Radio 24 oder SRF haben ihn gelehrt, dass es kaum eine Geschichte gibt, die sich nicht spannend erzählen lässt. Anfang 2019 gründete er die Agentur «Podcastschmiede», um für Organisationen und Unternehmen packende Audio-Geschichten zu erzählen.

Nico, Podcasts gibt es ungefähr seit 20 Jahren. Wie hat sich das Medium Podcast für Unternehmen in den letzten Jahren aus deiner Sicht verändert?

Für die meisten Unternehmen waren Podcasts lange kein Thema. In den Anfängen haben sich nur Vereinzelte damit beschäftigt. 2014 kam dann der Durchbruch mit dem True-Crime-Podcast «Serial». Da explodierte das Format zum ersten Mal. Seitdem wächst es stetig weiter. Unternehmen haben dieses Format erst vor wenigen Jahren für sich entdeckt. Deshalb sind das spannende Zeiten. Viele Unternehmen realisieren gerade, was für eine Chance Podcasts darstellen.

Und welche Chancen erhalten Unternehmen nun konkret durch einen Podcast?

Die Chance, viel Aufmerksamkeit zu erhalten. Heutzutage dreht sich die Social-Media-Welt extrem schnell. Mit einem Post kann ich zwar tausende Leute erreichen, aber viele überfliegen den Content nur. Bei Podcasts machen wir 20-minütige oder halbstündige Episoden und die meisten Hörer:innen konsumieren den ganzen Inhalt. Das ist eine riesige Chance, um sich selbst als Unternehmen zu präsentieren. Man kann das eigene Image, das eigene Weltbild und die eigenen Geschichten nach aussen tragen. Beispielsweise bietet der «Chrut und Rüebli» Podcast der «Migros», den wir für sie produzieren, genau eine solche Gelegenheit. «Migros» gibt ihren Kunden:innen Tipps und präsentiert, wie sie selbst über Nachhaltigkeit denkt. Ein Podcast kann auch Information hervorragend verbreiten und so auf wichtige Themen aufmerksam machen. Wir machen für die «Schweizerische Herzstiftung» einen Podcast zum Thema Herzinfarkt und versuchen so, die Leute vor einem Anfall aufzuklären. Wir konnten mit diesem Podcast nebst den Informationen auch gemeinsam mit Betroffenen das Thema an die Öffentlichkeit bringen. Diese Kombination aus Information und emotionaler Nähe lässt die Hörer:innen das Thema besser verinnerlichen. Genau so kann ein Unternehmen oder eine Organisation ihre Informationen und Anliegen transportieren, so wie es ein Flyer oder Post nie könnte.

Es gibt viele verschiedene Organisationen und Unternehmen. Welchen davon empfiehlst du Podcasts?

Es sind vor allem die Unternehmen, die ein Thema bearbeiten, welches die breite Bevölkerung anspricht und betrifft. Das Anliegen ist aber zu komplex, um darauf in einem einfachen Social-Media-Post aufmerksam zu machen. Für solche Unternehmen eignet sich ein Podcast hervorragend. Er gibt die Möglichkeit, in die Tiefe zu gehen. Man kann so ein Thema sehr gründlich präsentieren, erklären und was auch sehr gut funktioniert: emotionalisieren. Eine menschliche Stimme kann so viel mehr transportieren als ein Blog-Post. Wir können so den Fakten, Zahlen oder Informationen, eine Stimme geben. Und das während der vollen Podcast-Sendezeit: Das ist die grosse Chance.

Du hast den «Chrut und Rüebli» Podcast für die Migros angesprochen. Sind Podcasts also nur etwas für grosse Unternehmen und Konzerne?

Nein, auf keinen Fall. Auch kleine Unternehmen und Startups können etwas mit Podcasts erreichen. Wir arbeiten beispielsweise gerade an einem extremen Nischen-Podcast-Thema eines Unternehmens, das in einem eigenen Mikrokosmos lebt und keine breite Bevölkerungsmasse erreicht. Dieser Podcast wird nicht in den Charts landen, aber er wird ein Nischen-Publikum erreichen und dieses mit Informationen beliefern. Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bei Unternehmen mit einem grossen Budget und einem grossen Namen die Möglichkeiten grösser sind. Bei KMU ist die Budget-Frage meist etwas schwieriger. Da versuchen wir aber trotzdem, etwas Schönes zu kreieren. Wir geben da aber vielleicht nur Anweisungen oder erstellen das Konzept, um die Kosten niedrig zu halten.

Welche Haltung und Erwartung sollte ein Unternehmen mitbringen, damit ein Podcast erfolgreich wird?

Man sollte eine gewisse Experimentierfreude mitbringen. Podcasts sind nicht komplettes Neuland, aber das ein oder andere gibt es noch zu entdecken. Auf das muss man sich einlassen und auch etwas Freude daran haben. Man muss auch damit leben, dass wir nicht garantieren können, wie ein Podcast ankommen wird. Wir können keine exakten Download-Zahlen versprechen.

«Podcasten muss niemand, aber die Chancen sind nicht von der Hand zu weisen.»

Gibt es einen kritischen Punkt in einer Unternehmensentwicklung, in der Podcasts unumgänglich sind?

Podcasten muss niemand, aber die Chancen sind nicht von der Hand zu weisen. Vor allem wenn man grossartige Geschichten zum Erzählen hat, sind Podcasts die ideale Plattform dafür. Natürlich sind auch Videos eine gute Möglichkeit, um emotional und erzählerisch an die Öffentlichkeit zu treten. Aber diese sind viel aufwändiger in der Produktion. Kurz gesagt, wenn man als Unternehmen merkt, dass man emotionale Geschichten zu erzählen hat, ist ein Podcast sehr angebracht.

Jetzt haben wir viel über die Chance von Podcasts geredet. Hattet ihr  bereits einen Kunden, bei dem ein Podcast die falsche Massnahme war?

Nein, das hatten wir bisher nicht. Was aber vorgekommen ist, war ein Kunde, der sich höhere Zahlen gewünscht hätte. Da mussten wir Aufklärungsarbeit betreiben und dem Kunden klarmachen, dass Podcast-Downloads nicht eins zu eins mit Instagram-Views gleichgesetzt werden können. Bei Twitter wird ein Post als gesehen gewertet, auch wenn der User nur kurz darüber gescrollt hat, und das ist im Vergleich zum Hören eines Podcasts unvergleichbar. Mit einem Post ist es wesentlich einfacher, Tausende von Views zu generieren. Wenn das den Unternehmen nicht bewusst ist, dann kann es auch mal eine Enttäuschung geben. Wir klären die Unternehmen aber schon früh darüber auf.

In unserer Bildergallerie sehen Sie Eindrücke aus der «Podcastschmiede»:

In einem gemütlichen Büro im Technopark in Winterthur wird ein Hörerlebnis geschaffen. (Bild: Lumexus/Vinicio Melchioretto)

Das neunköpfige Team der Podcastschmiede produziert für Unternehmen und Organisationen Podcasts. (Bild: Lumexus/Vinicio Melchioretto)

Die Podcasts entstehen in enger Zusammenarbeit mit ihren Kund:innen. (Bild: Lumexus/Vinicio Melchioretto)

Das Herz der Podcastschmiede ist das Tonstudio. (Bild: Lumexus/Vinicio Melchioretto)

Vinicio Melchioretto traf Nico Leuenberger zu einem Interview anfangs Dezember 2021. (Bild: Lumexus/Vinicio Melchioretto)

Gibt es Themen, die in einem Podcast nicht umsetzbar sind?

Eine grosse Herausforderung stellt alles dar, was visuell ist. Wir haben kein Bild bei einem Podcast. Wenn ich komplexe Grafiken erklären will, dann stösst das Medium an seine Grenzen. Auch Produkte, die sich vor allem durch ihr Aussehen verkaufen, sind eine Challenge. Es ist nicht unmöglich, es bedarf aber besonderer Kreativität, das hörbar zu machen.

Du sprichst gerade die Grenzen an. Wo liegen diese für das Format Podcast?

Eine Grenze ist klar die Reichweite. Ein Podcast wird nie die Reichweite eines Social-Media-Posts erreichen. In einer Mittagspause kann ich dutzende Posts lesen, aber höchstens einen Podcast ganz durchhören. Auch die Zielgruppe spezifisch anzusprechen, ist heute mit Podcasts technisch enorm schwierig. Werbungen kann man heute systematisch platzieren. Das geht mit einem Podcast noch nicht.

Apropos Zielgruppe. Heute spricht man immer wieder von der kurzen Aufmerksamkeitsspanne der Generationen. Sind Podcasts da wirklich das Richtige, um eine Zielgruppe zu erreichen?

Gerade bei jungen Menschen sind Podcasts eine grosse Chance. Ungefähr 60 Prozent der Jungen hören Podcasts. Man erreicht diese Zielgruppe auf jeden Fall. Was aber eine Herausforderung ist, es gibt derzeit etwa 4.5 Millionen Podcasts. Niemand wartet also auf meinen Podcast. Da braucht sehr gute Inhalte, um herauszustechen, und viel Arbeit – von der Produktion bis hin zur Distribution.

Aber heisst das dann nicht, dass der Markt von Podcasts überschwemmt wird?

Diese Gefahr besteht immer, aber da mache ich jeweils gerne den Vergleich zur Buchhandlung. Es gibt viel mehr Bücher als Podcasts und trotzdem schreiben immer noch Menschen weitere Literatur. Auch YouTube hat endlos viele Videos und trotzdem stoppt das die Uploads nicht. Darum denke ich, dass Podcasts von dieser Überschwemmung keinen Schaden davontragen. Man muss einfach sehr gute Inhalte bieten, um herauszustechen.

Welches Merkmal unterscheidet Podcasts von anderen Formaten?

Die Durchhörquote ist der grosse Unterschied. Podcasts werden, fast von A bis Z konsumiert. Bei einer Podcast-Folge von 30 Minuten hören oftmals 70% und mehr der Leute die ganze Episode durch und das zeigt, dass die Menschen an solchen Inhalten interessiert sind. Da muss mir niemand mehr weismachen, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen zu kurz sei für Podcasts.

«Gerade bei Seniorinnen und Senioren sind Podcasts noch nicht verbreitet.»

Hat das Format Podcast schon alle seine Möglichkeiten ausgeschöpft oder gibt es noch Luft nach oben?

Nein, die Möglichkeiten des Formats Podcast sind noch lange nicht ausgeschöpft. Wir haben grosse Bevölkerungsgruppen, die Podcasts noch nicht konsumieren. Gerade bei Seniorinnen und Senioren ist das Format noch nicht verbreitet. Nur 20-30 Prozent von ihnen hören Podcasts. Dabei wären sie gerade die perfekte Zielgruppe, da sie in der Regel wahrscheinlich viel Zeit haben, um die Podcasts in voller Länge zu konsumieren. Auch bei der Intensität der Konsumation gibt es noch Luft nach oben. Viele hören Podcasts nur einmal pro Monat oder pro Woche und da glaube ich, dass noch deutlich mehr möglich ist. Podcast-Experten aus Deutschland rechnen nicht mit einer Verdopplung der Konsumation, sondern mit einer Verzehnfachung.

Und welche Entwicklung in Bezug auf Podcasts erwartest du für die Schweiz in der Zukunft?

Es kommen noch einige technische Entwicklungen für die Schweiz. Gerade Spotify bringt laufend Neuerungen. Neu für die Schweiz sind auf Spotify die Abonnements für Podcasts. Das braucht zwar eine Umgewöhnung, da man Geld für das Hörerlebnis in die Hand nehmen muss. Für Firmen ist das kein Thema, da diese mit ihren Podcasts nicht den Lebensunterhalt verdienen. Demnächst will Spotify auch Umfragen und Q&As ermöglichen. Das wird die Interaktion mit der Hörerschaft verstärken und verbessern. Was sich auch ändern wird, ist der Diskurs. Podcasts werden je länger je mehr Teil der alltäglichen Gewohnheit der Menschen. Viele sind mit dem Format noch nicht vertraut und kennen darum ihren Lieblings-Podcast einfach noch nicht.

Nico, eine Abschlussfrage noch. Wenn deine Persönlichkeit ein Podcast wäre, welche Geräuschkulisse würde man dann hören?

Wahrscheinlich würde man immer etwas knistern hören. Die Geräuschkulisse wäre auf jeden Fall spannungsgeladen, um neugierig zu machen. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Das hat mir sicher dabei geholfen, die Podcast-Branche in der Schweiz mitaufzubauen. Ich glaube, eine spannungsgeladene Musik würde mich sehr gut einfangen.

Den «Chrut und Rüebli» Podcast finden Sie hier:  

Den Podcast der Herzstiftung finden Sie hier:

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