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Die EU hat am 20. Januar 2022 die Grundsteine für das erste Grundrecht des Internets gelegt. Bisher war das Internet weitgehend unreguliert, doch das soll sich nun ändern. Diese neuen Gesetze haben einige Auswirkungen auf KMU und Startups und stellen Chancen für sie bereit. 

Am 20. Januar 2022 hat das EU-Parlament in Strassburg eine einheitliche Position für den sogenannten Digital Service Act definiert. Ein Akt, der Gesetze für Anbieter festlegt, um die Nutzer:innen zu schützen. Die Position für den dazugehörigen Digital Markets Act für die Regulierung des Wettbewerbs wurde schon im Dezember 2021 definiert. Zusammen bilden diese Akte neue Internet-Gesetze. Gerade für KMU und Startups sind diese Gesetze längst überfällig und eröffnen grosse Chancen.  

Mehr als 20-Jahre alte Gesetze für neuste Technik  

Bislang stützten sich die Vorschriften des Internets auf die E-Commerce-Richtlinien der EU vom Jahr 2000, die einzig Online-Verkäufe regeln. Die neuen Gesetze sollten jedoch eine Rundum-Regulierung des digitalen Umfelds bieten. Die Gesetze bestehen aus zwei Teilen, dem Digital Service Act und dem Digital Markets Act. Diese wurden Ende 2020 zusammen von der EU-Komission vorgeschlagen.  

Der Digital Service Act (DSA), hat den Zweck, Nutzerinnen und Nutzern Schutz vor illegalen Inhalten, Hassrede und Desinformation zu bieten. Zum Beispiel besagt der DSA, dass Onlinedienste illegale Inhalte entfernen müssen, ansonsten könnten sie dafür haften. Dazu soll auch vor unerwünschter Werbung geschützt werden. Hier stehen Minderjährige im Mittelpunkt: So darf sich Targeted Advertising in Zukunft nicht mehr an sie richten. Des Weiteren steht ein Verbot von Targeted Advertising basierend auf persönlichen Informationenwie die sexuelle Orientierung, die Religionszugehörigkeit oder Gesundheitsdaten der Nutzer:innen – zur Diskussion. 

Infobox:

Unter Targeted Advertising wird eine zielgerichtete Werbung verstanden. Dabei werden Werbebotschaften einer präzisen Zielgruppe angepasst, um den Erfolg der Werbung zu optimieren. Gesammelte Personendaten ermöglichen es, den Nutzerinnen und Nutzern auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Werbung anzuzeigen. Dafür nutzen die Werber sogenannte Cookies. Diese Informationsquelle wird jedoch in Zukunft eingeschränkt.  

Um die Transparenz zu fördern, müssen grosse Plattformen in Zukunft begründen, weshalb Inhalte zensiert und Accounts gelöscht werden. Auch die Empfehlungsalgorithmen, die den Feed von Nutzerinnen und Nutzern und die Algorithmen für Werbeanzeigen bestimmen, sollen in Zukunft für Nutzer:innen zugänglich sein. Wie das Handelsblatt im Januar argumentierte, zwingt diese Offenlegung von Informationen die Netzwerkriesen dazu vorsichtiger mit Daten umzugehen und ihren Nutzerinnen und Nutzern transparenter gegenüberzutreten. 

Ein Gesetz für Netzriesen  

Die Gesetze richten sich vor allem an die Netzriesen. In diesem Kontext spricht man oft von den Big Five: Google, Apple, Microsoft, Amazon und Facebook. Laut einem Bericht von absatzwirtschaft.de, sind einzig 150 Netzwerke für die Hälfte des Datenverkehrs verantwortlich, wobei Google allein schon ganze 6% ausmacht. Demnach kann man im Internet von einem Oligopol sprechen, da der Markt von wenigen dominiert wird. Für Startups ist deshalb eine faire Wettbewerbsregulierung willkommen.  

Um einen fairen Wettbewerb zu garantieren, wird mit dem Digital Markets Act (DMA) proaktiv gegen Unternehmen mit zu grosser Marktmacht vorgegangen und eine Monopolbildung verhindert. Demnach reguliert der Gesetzentwurf des DMA einzig Unternehmen, die 45 Millionen Nutzer:innen in der EU erreichen und mindestens 6,5 Milliarden Euro Jahresumsatz in der EU erzielen. Diese, oft US-amerikanischen Unternehmen, werden daran gehindert unfaire Bedingungen für kleinere Unternehmen zu schaffen. 

Im Gegensatz dazu, richtet sich der Digital Service Act an alle Anbieter von digitalen Diensten und an Unternehmen, die online tätig sind. Dabei werden die Verpflichtungen und Regulierungen der digitalen Vermittlungsdienste an deren Grösse angepasst. Um das Einhalten der Bestimmungen zu garantieren, gibt es bei Missachtung Geldbussen, die bis zu 6% des jeweiligen Umsatzes des vorherigen Geschäftsjahres betreffen.  

Chancen für KMU  

Unternehmen nutzen oft Social-Media-Kanäle und Vertriebsdienste für Marketingzwecke und den Verkauf ihrer Produkte. Ihr Erfolg kann dabei von den marktmächtigen Plattformen abhängen. Diese haben durch Netzwerkeffekte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber KMU und können ihre Macht leichter auf weitere Märkte ausweiten. Doch das soll sich mit den neuen Gesetzen ändern. Der DSA und der DMA nehmen es sich zur Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und das Wachstum von KMU zu erleichtern. Dies stellt eine Chance dar, neue Innovationen auf den Markt zu bringen, und begünstigt den Markteintritt sowie die Etablierung von KMU.  

Die Herstellung eines fairen Wettbewerbs wird durch die Einschränkung der Marktmacht der Digitalriesen erreicht. Laut dem Gesetzentwurf sollte es Nutzerinnen und Nutzern möglich sein, Inhalte chronologisch anzeigen zu lassen, anstatt der Gewichtung von den Algorithmen der Plattformen zu verfallen. Dazu wird es Plattformbetreibern untersagt, ihre eigenen Dienste und Produkte in der Sucheranzeige oder beim Ranking zu bevorzugen. Das wirkt sich positiv auf KMU aus, da ihre Angebote und Inhalte dadurch eher ersichtlich sind 

Google und Co. beherrschen den digitalen Wettbewerb und hängen die Konkurrenz ab, doch mit der Forderung von Transparenz und der Regulierung von Cookies wird das geändert. (Bild: Lumexus/Simona Allenbach)

Darüber hinaus untersagt das Gesetz Bündelungspraktiken. Zum einen dürfen die Anwendungen der Digitalriesen nicht automatisch vorinstalliert sein und zum anderen muss es den Nutzerinnen und Nutzern möglich sein, diese zu deinstallieren. Des Weiteren ist es einem Unternehmen untersagt, die Nutzer:innen von einem ihrer Produkte dazu zu verpflichten, andere Produkte des Unternehmens verwenden zu müssen.  

Mit diesen Regelungen soll gemäss dem Europaabgeordneten Axel Voss verhindert werden, dass ein Unternehmen automatische Marktmacht erlangt und seinen Einfluss mit wenig Aufwand auf mehrere Märkte ausweiten kann. Dazu stellen die Verordnungen die Möglichkeit für KMU dar, ihre eigenen Anwendungen prominenter zu machen. Ein fairer Wettbewerb wird zudem damit gefördert, dass Plattformen dazu verpflichtet werden, wettbewerbsrelevante Daten für KMU zugänglich zu machen. Zusätzlich schreitet die EU-Kommission künftig ein, wenn Digitalriesen Unternehmen aufkaufen, um die Konkurrenz auszuschalten. Dementsprechend sind die Gesetze attraktiv für KMU, da sie Markteintrittsbarrieren verkleinern und einen fairen Wettbewerb begünstigen.  

Anforderungen an KMU 

Mit dem Digital Service Act gibt es auch neue Bedingungen für KMU. Durch eine asymmetrische Gesetzgebung soll laut Euractiv.com sichergestellt werden, dass sich die Verwaltungskosten und der Aufwand für KMU kleinhalten. So gilt beispielsweise die Vorschrift, dass Datenbearbeitungstätigkeiten öffentlich gemacht werden müssen, erst ab einer Unternehmensgrösse von 250 Mitarbeitenden. Das heisst, KMU sind in der Regel davon ausgenommen.  

Dennoch gibt es neue Vorschriften, die auch KMU betreffen. Zum Beispiel wird von allen Unternehmen verlangt, dass sie Verletzungen im Bereich Datenschutz melden. Dabei muss besonders die Verarbeitung von persönlichen Daten beachtet und die Datensicherheit hergestellt werden. Dies betrifft hauptsächlich Unternehmen, die im Online-Verkauf oder -Import tätig sind, oder jene, die heikle persönliche Daten bearbeiten. Bei kleinen Unternehmen ist oft eine begrenzte Anzahl von Daten vorhanden, weshalb diese weniger eingeschränkt werden.  

Am meisten sind KMU von der Einschränkung gezielter Werbung betroffen. Diese kann sich negativ auswirken, da die Werbung weniger zielgruppenspezifisch ausgespielt werden kann und so die Kundinnen und Kunden je nachdem weniger gut erreicht werden. Demnach könnte diese Regulierung zu Umsatzeinbussen führen.  

Ein Blick in die Zukunft  

Alles in allem besteht für alle Unternehmen eine Notwendigkeit der Vorbereitung und Anpassung an die neuen Internet-Gesetze. Deren Anforderungen sollten sich jedoch für KMU in einem kleinen Rahmen halten. Im nächsten Schritt werden die Gesetze mit den EU-Staaten verhandelt. Der DSA wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte von 2022 in Kraft treten und der DMA bis 2023. Schweizer Unternehmen, die ihre Dienste und Inhalte in der EU anbieten, sind automatisch von den Verordnungen betroffen. Die Regulierung der Internetriesen wird auch Schweizer KMU einen Vorteil verschaffen. Im Allgemeinen wird die Schweiz sich nach diesen neuen Gesetzen der EU richten, wie genau ist allerdings noch offen. Es werden gespannt die Entscheide der EU-Staaten beobachtet. Bleibt zu hoffen, dass KMU bei den Verhandlungen berücksichtigt werden und der freie Wettbewerb in den Mittelpunkt gestellt wird.  

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